Festakt Eröffnung Deutscher Zahnärztetag - Rede der DGZMK-Präsidentin
30.10.2015
Von Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke (Begrüßung Atlantic, Donnerstag, 29.10.2015)
Sehr geehrte Ehrengäste, sehr geehrter Herr Professor Einhäupl, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist vollbracht, wir haben es geschafft die Pilotversion unseres gemeinsamen Leitbildes fertig zu stellen. Wir hatten Ihnen bereits bei der Eröffnung des letzten Deutschen Zahnärztetages in der Paulskirche darüber berichtet, dass wir uns mit zunehmender Schlagzahl damit beschäftigen, um allen Zahnärztinnen und Zahnärzten etwas in die Hand zu geben, um unseren komplexen Qualitätsanspruch und den der Patientinnen und Patienten im Sinne der wissenschaftlichen Zahnmedizin in Praxis und Klinik gerecht zu werden. Mein damaliges Zitat, der erste Satz aus dem Kapitel zur Professionsentwicklung lautete: "Grundlage für die Weiterentwicklung der Profession auf medizinisch-fachlicher Ebene ist ein klares Bekenntnis zu wissenschaftlich fundierten Behandlungsmaximen". Für die Etablierung, Wahrung und Fortentwicklung von reiner Qualität in unserem Berufsstand alleine hätten wir aber kein Leitbild benötigt.
Ich unterbreche daher an dieser Stelle erst einmal meine Bemühungen Sie mitzunehmen in unser Leitbild und erlaube mir zunächst einmal das Qualitätsthema vom letzten Jahr wieder aufzunehmen. Wir haben die 12 Monate bestens genutzt. Wir, die DGZMK, zur Weiterentwicklung der begonnen und Aktualisierung der existierenden Leitlinien als Unterstützung für das Umsetzen von Qualität in allen Themen, die leitlinienfähig sind. Wir sind dabei aus den Leitlinien Patientenversionen zu erstellen und Überarbeitungen eigene existierende Patienteninformationen ebenso wie gemeinsame mit der Bundeszahnärztekammer. Damit geben wir unseren Patientinnen und Patienten etwas in die Hand, um sich auf ihren Zahnarztbesuch vorzubereiten oder, um sich nach ihrem Zahnarztbesuch fit zu machen für Folgegespräche und Therapieentscheidungen.
Und dann wäre da noch unser umfassendes Fortbildungsangebot im Rahmen der Akademie Praxis und Wissenschaft sowie auch der wissenschaftliche Teil des Deutschen Zahnärztetages zur individuellen Wissensauffrischung zu nennen. Auch in diesem Jahr geht es weiter mit der interdisziplinären Zahnmedizin, das liegt einfach daran, dass es eine isolierte fachliche Betrachtung gar nicht mehr geben sollte. Im Rahmen der dritten Gemeinschaftstagung wird klinisch relevant, kritisch betrachtet und konstruktiv diskutiert. Dieses neue Format beinhaltet einen fachlich kontrovers aufgestellten Moderator, der die Diskussion anheizen und befruchten soll. Sage und schreibe 214 Referentinnen und Referenten werden also nächsten Freitag und Samstag die zahnmedizinischen News aus den Laboren, aus den Kliniken und aus den Praxen an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben und diese auch aktiv daran teilhaben lassen.
Ein weiteres neues Format mit ganz besonderem Inhalt finden Sie auch im Block "The winner is...". Neben dem Vortrag der Miller-Preisträger wird der Kaltenbach-Preis verliehen und es werden die zugrunde liegenden Arbeiten präsentiert.
Meine Damen und Herren, auch neu: ein Zukunftssymposium von BZÄK und DGZMK für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte. Entstanden aus der Frage von Herrn Kollegen Engel "wie ticken eigentlich die jungen Leute. Es findet statt am Freitag mit Beiträgen aus der Bundeszahnärztekammer sowie aus der universitären wissenschaftlichen Szene und soll jungen Kolleginnen und Kollegen bei ihren Plänen, wo soll die Reise hingehen, anhand von Beispielen Unterstützung geben.
Und bei allem Tagesgeschäft können und wollen wir uns der politischen Realität und Veränderung der Welt durch die Flüchtlinge nicht verschließen. In den Ländern ist von Seiten der Kammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen hier ausgesprochen viel passiert. Es gibt Angebote, es gibt Lösungsansätze und wir sind vorbereitet für einen sogenannten Migrantengipfel, der bereits vor zwei Wochen stattfinden sollte, aber aufgrund der aktuellen Lage ins neue Jahr verschoben wurde. Was haben wir, die DGZMK, beizutragen? Einen ersten Schwerpunkt sehen wir in der Aufklärung. Denn unsere moderne präventionsorientierte Zahnheilkunde zielt ja zu allererst darauf Zahnschäden zu verhindern. Es muss also um die Vermittlung der Bedeutung von Prävention und Prophylaxe gehen und dazu brauchen wir möglichst rasch einen belastbaren Status quo des Gebisszustandes der Neuankömmlinge, denen diese Begriffe und deren Inhalt fremd sein dürften. Und um diesen pragmatisch und zielführend zu erfassen, planen wir zunächst multiprofessionell mit Soziologen, mit Psychologen, mit Versorgungsforschern und Medizinern und natürlich mit unseren Präventionsforschern einen Gedankenaustausch im Rahmen eines Workshops. Ziel: wie erreichen wir die "Neuen" überhaupt und themenspezifisch. Ich hatte hierzu kürzlich einen Gedankenaustausch mit unserem Psychiater aus dem Klinikskollegium, der davon sprach, dass der erste und wichtigste Schritt die Öffnung der Türen sei. Also eine Annäherung mit der Botschaft "Gesund beginnt im Mund", was ja im Hinblick auf die jüngste Vergangenheit - Kriegs- und Fluchterlebnisse - zunächst einmal irrelevant erscheinen könnte.
Zu diesem geplanten Projekt mit dem Arbeitstitel "Mundgesundheit für unsere neuen Mitmenschen" hatte ich ein erstes Brainstorming mit Frau Prof. Ganß, der Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Präventive Zahnmedizin. Wir wollen mit politischer Hilfe das Feld sondieren, um die geeigneten Gesprächspartner zusammenzubringen, um ein angemessenes und ausgewogenes Verhältnis zwischen Versorgung und Prävention herzustellen. Denn die übergeordnete Frage wird sein, welche präventivzahnmedizinischen Maßnahmen sind machbar und wie können sie finanziert werden?
Darüber hinaus müssen und wollen wir die Migrationsthematik auch im Hinblick auf die Mundgesundheit in Deutschland beobachten. Die Idee, diesen Aspekt in der nächsten Mundgesundheitsstudie separat zu erfassen und daraus dann weitere Rückschlüsse zu ziehen, drängt sich förmlich auf. Nur, wenn die neue Klientel und deren Befunde möglichst exakt erfasst und analysiert werden, können wir auch Lösungen entwickeln. Der geschäftsführende Vorstand der DGZMK hat hierzu einen Vorratsbeschluss gefasst, den ich als ersten Spatenstich bezeichnen möchte. Wir werden nächste Woche in unserer Vorstands- und Beiratssitzung den Antrag vorlegen zukünftig einen Anteil des für die Förderung interessanter wissenschaftlicher Projekte vorgesehenen Budgets, für die Thematik "Mundgesundheit von Migranten" zur Verfügung zu stellen. Und möglicherweise werden unsere Partner auch einen Beitrag dazu leisten. Wir wollen also zeitnah unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Ausschreibung für ein Projekt "Mundgesundheit von Migranten" anbieten.
Nach diesen Perspektiven zur Flüchtlingsthematik komme ich nun zurück zum Leitbild, das immer noch nicht unanstrengend, aber lesbar geworden ist und in dem alles abgebildet ist, was wir trilateral relevant finden. Wofür? fragen Sie sich vielleicht. Für die Ablage, für das gute Gewissen?
Ich hatte gestern die Ehre bei der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung das Leitbild schon einmal etwas ausführlicher zu kommunizieren und zu kommentieren. An dieser Stelle bleibt mir aber nur, Sie neugierig zu machen. Was ist drin und weshalb? Es soll dem Erhalt und der Fortentwicklung unserer Profession dienen. Es soll uns allen und insbesondere denen, die sich nicht so intensiv mit Qualität, Kommunikation und Patientenrechten beschäftigen als Leitlinie und Leitplanke dienen.
Es beginnt mit der Ausbildung, setzt sich fort über die Fort- und Weiterbildung, berücksichtigt die Selbstverwaltung als Ausdruck funktionierender Eigenverantwortung und fokussiert umfassend auf alles, was mit der Qualität unseres Berufes zu tun hat. Es endet mit der gedanklichen Weiterentwicklung des freien Berufes des Zahnarztes.
Meine Damen und Herren, das Leitbild erinnert uns auf dem wissenschaftlichen Stand der Dinge 2015 ebenso wie auf dem gesundheitspolitischen Status quo 2015 im Kontext der Europäisierung und der EU-Bestrebungen an unsere Rechte und Pflichten als Zahnarzt und Zahnärztin mit der Besonderheit der Freiberuflichkeit und aller Regeln, die diese mit sich bringt. Als Stichworte seien als Grundlage für die Weiterentwicklung des freien Berufes des Zahnarztes auf medizinisch-fachlicher Ebene noch einmal ein klares Bekenntnis zu wissenschaftlich fundierten Behandlungsmaximen genannt. Ebenso, wie die Weiterentwicklung zahnmedizinischer Therapiealgorithmen, die auf dem Boden einer selbstkritischen Einstellung gegenüber den eigenen Behandlungsergebnissen unter Berücksichtigung ethischer Grundsätze erfolgen soll. Weiterhin erinnert es uns an eine elementare Grundlage für die aktive Entwicklung unseres Berufsstandes, nämlich eine funktionierende Selbstverwaltung und auch daran, dass die Zahnmedizin eine Wissenschaft mit klarem sozialem Gestaltungsbezug ist.
So heißt es, "die Interessen der Zahnärzteschaft können nur unter Beachtung der Gemeinwohlorientierung umgesetzt werden, mit ständig weiterzuentwickelnder und transparenter Werteorientierung im Sinne eines kollektiven Selbstverständnisses.".
Und der nächste Satz ist eine Steilvorlage für Demografie und Flüchtlingsthematik: "Der Berufsstand muss sich dabei an den Herausforderungen der Gesellschaft orientieren und in Reaktion darauf eigene Handlungskonzepte vorlegen.". Somit ist Freiberuflichkeit in ihrer Umsetzung im Rahmen der Selbstverwaltung in erster Linie das Tragen von Verantwortung und die Schaffung von Vertrauen in den Berufsstand.
Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließen mit den klaren Zielorientierungen im Sinne der Mundgesundheitsziele und der ständigen Evaluierung der Ergebnisse als wichtiger Beleg für die Fortentwicklung des freien Berufes des Zahnarztes.
Meine Damen und Herren, in all diesen Formulierungen, Absätzen, Texten, Kapiteln steckt: Freiheit kostet etwas und Freiheit ist ein kostbares Gut. Ich zitiere an dieser Stelle unseren Bundespräsidenten Joachim Gauck, der 2012 bei einem Wirtschaftsforum darüber sprach, dass Freiheit Verantwortung heißt: "Freiheit heißt nicht nur frei sein von etwas, sondern auch frei sein zu etwas...".
Meine Damen und Herren, liebe Ehrengäste, ich möchte meine Begrüßungsworte mit der Hoffnung verbinden, dass das Leitbild, das uns nun gedruckt und elektronisch zur Verfügung steht, gelesen, benutzt, genutzt, zitiert und weiterentwickelt, also an die täglichen Veränderungen angepasst, wird.
Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.